Forschungsgruppe

EMProBio – Energie- und materialeffiziente Produktionsprozesse für biogene Kunststoffe

12.06.2025

Partner: TU Ilmenau, Hochschule Schmalkalden, Ernst-Abbe-Hochschule Jena, GFE Schmalkalden, ifw Jena

Die Klimakrise als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit erfordert umfassende Maßnahmen hinsichtlich des angestrebten Zieles der EU-Klimaneutralität bis 2050. Das verarbeitende Gewerbe, in Thüringen mit 22,7 % der Bruttowertschöpfung über dem Bundesschnitt, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Dies betrifft insbesondere den Bereich „Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren“, da Kunststoffe unverzichtbar sind, aber ihre Produktion ressourcenintensiv ist und erheblich zu den globalen Treibhausgasemissionen beiträgt. Ein zentraler Ansatz zur Dekarbonisierung der verarbeitenden Industrie ist die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz in der Produktion und damit einhergehend die CO₂-Reduktion in allen Lebensphasen technischer Produkte. Dazu zählen die Entwicklung nachhaltiger Produktionsstrategien zur Reduktion des Energieverbrauchs, der Emissionen und des Rohstoffeinsatzes sowie Materialsubstitution durch den Einsatz von biogenen Verbundwerkstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, die weniger Energie und Ressourcen verbrauchen und CO₂ binden.

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Potenziale biogener Verbundwerkstoffe

Insbesondere im Bereich Leichtbau gewinnen Verbundwerkstoffe wie faserverstärkte Kunststoffe zunehmend an Marktanteilen. Neben technischen Fasern (Glas, Carbon, Aramid) spielen auch Naturfasern aus biogenen Quellen wie Flachs, Hanf, Jute oder Holz eine bedeutendere Rolle. Der Schwerpunkt des Projektes liegt auf hochgefüllten Verbundwerkstoffen mit Naturfasern und polymerer Matrix (biogene Kunststoffe). Um praktische Anwendungen für kunststoffverarbeitende KMU in Thüringen zu schaffen, konzentriert sich das Projekt auf kommerziell erhältliche Materialien. Die Kombination aus Rezyklierbarkeit, Formbarkeit und kohlenstoffbindenden Naturfasern ermöglicht eine erhebliche Entlastung der Umwelt, insbesondere durch reduzierte Rohstoffnutzung und weniger Produktionsabfälle. Naturfasern und die nötigen Additive beeinflussen jedoch die Werkstoffeigenschaften sowie das Verhalten bei der Verarbeitung und in späteren Lebensphasen der Produkte. Hier fehlen noch ausreichende wissenschaftliche Grundlagen. Um die Besonderheiten der biogenen Kunststoffe zu berücksichtigen, müssen daher angepasste Techniken für Urformen, Trennen und Fügen entwickelt werden (z. B. Spritzgießverfahren, additive Fertigung). Die Herstellung und Verarbeitung biogener Kunststoffe erfordert Transparenz über Energie- und Ressourceneinsatz. Nachhaltige Produktgestaltung muss bereits in der Entwicklung berücksichtigt werden, da Unternehmen vermehrt Nachhaltigkeitsnachweise (z. B. durch digitale Produktpässe oder Lieferkettengesetze) erbringen müssen.

Technologische Schwerpunkte und Projektziele

Ziele des Projekts sind daher:

  • Entwicklung energie- und materialeffizienter Urformprozesse für biogene Kunststoffe (Spritzgießen, additive Fertigung)

  • Entwicklung recyclingfähiger, energie- und materialeffizienter Fügeverfahren für biogene Kunststoffe (Kleben, Schraubverbindungen)

  • Entwicklung effizienter, bildbasierter Prüfverfahren zur Qualitätskontrolle biogener Kunststoffbauteile

  • Entwicklung einer Systematik zur transparenten Bewertung und Optimierung der Material- und Energieeffizienz von biogenen Kunststoffen in Produktionsprozessen

Um die Arbeitsziele zu erreichen, orientiert sich der Lösungsweg an der Produktionskette. Fahrzeuginterieur-Bauteile dienen als Beispiele für die Untersuchungen. Es werden biogene Compounds aus Naturfaser und PP/PE-Matrix untersucht. Alternativ kann ein biobasiertes Material auf Cellulosebasis getestet werden. Die Kunststoffteile werden durch Spritzgießen und mittels granulatbasierter Extrusion in der additiven Fertigung hergestellt. Im nächsten Schritt entsteht im Fügen durch Kleben sowie Schraubverbindung eine Baugruppe aus dem Kunststoffteil und einem dünnwandigen metallischen Blech. Bildbasierte Messverfahren optimieren dabei den Fertigungsprozess. Der Ressourcenverbrauch wird analysiert und auf Energie- und Materialeffizienz hin angepasst.

Perspektiven für Thüringer Unternehmen und Forschung

Mit den Projektergebnissen werden Grundlagen für Thüringer Unternehmen geschaffen, die im gezielten Transfer zu erweiterten Geschäftsmodellen führen und Wettbewerbsvorteile bedeuten. Das Vorhaben ebnet den Weg für die Thüringer Kunststoffverarbeiter zur Transformation vom klassischen Zulieferbetrieb im Sinne der „verlängerten Werkbank“ zu einem Qualitätslieferanten von Bauteilen aus biogenem Kunststoff mit einem erweiterten Serviceportfolio. Die praxisorientierte Ausrichtung der Forschungsgruppe und die enge Vernetzung mit Thüringer Unternehmen fördern zudem bereits in der Projektphase die Entwicklung neuer FuE-Projekte. Angesichts der hohen regionalen Relevanz des Themas werden weitere Vorhaben mit Thüringer Beteiligung erwartet, sowohl durch Landes- und Bundesförderung als auch durch eigenfinanzierte wirtschaftliche Projekte. Die durch das Projekt erarbeiteten Kompetenzen können im ThZM gebündelt und als eigener Kompetenzschwerpunkt weiterentwickelt und transferiert werden. Dadurch kann das ThZM als Ansprech- und Kompetenzpartner für Thüringer Unternehmen im Bereich der ressourcenschonenden Produktion und dazugehöriger Bilanzierung fungieren.

Die Forschungsgruppe setzt sich aus Wissenschaftlern der 5 Forschungseinrichtungen des ThZM, aus wissenschaftlichem Nachwuchs und einem Industriebeirat (Thüringer Unternehmen der Kunststoffbranche bzw. Experten zum Thema CO₂-Neutralität/Nachhaltigkeit) zusammen.