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Investitionen wandern ab – Innovationsstandort in Gefahr
09.12.2025
Der Industriestandort Deutschland lebt von Innovationen. Und Innovationen finden nur dort statt, wo auch produziert wird. Der Maschinen- und Anlagenbau will seine Produktion im Heimatmarkt unbedingt erhalten – aber das geht nicht, wenn sich die Standortbedingungen kontinuierlich verschlechtern. Echte, tiefgreifende Reformen am Standort Deutschland sind unabdingbar, wenn wir verhindern wollen, dass immer mehr Forschung, Produktion und damit auch Innovation im Ausland stattfindet!
Mit diesem Appell an die Bundesregierung bewertete VDMA-Präsident Bertram Kawlath die bisherige Arbeit der Koalition auf der Jahrespressekonferenz des Verbands und kritisierte dabei ausdrücklich die kürzlich wieder aufgeflammte Klassenkampfrhetorik von Teilen der SPD.
Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, ist die verbale Aufrüstung von Arbeitsministerin Bärbel Bas völlig unangemessen,
sagte Kawlath.
Ihre Aussage verkennt, dass gerade die Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau als größter industrieller Arbeitgeber im Land, der gute Löhne bezahlt, eine wichtige gesellschaftliche und soziale Aufgabe meistern,
betonte der VDMA-Präsident.
Industrieller Mittelstand braucht flexibleren Arbeitsmarkt
Angesichts der im internationalen Vergleich deutlich zu hohen Unternehmenssteuern von durchschnittlich 30 Prozent und eines vergleichsweise unflexiblen Arbeitsmarkts forderte Kawlath, den industriellen Mittelstand jetzt schnell und spürbar zu entlasten.
Wir stehen im globalen Wettbewerb mit Ländern, in denen es auch viele kluge Köpfe gibt – die länger arbeiten und deren Unternehmen deutlich weniger Steuern zahlen müssen. Das geht auf Dauer nicht gut,
warnte er. Daher sei es dringend an der Zeit, die Unternehmenssteuern schneller als im Koalitionsvertrag genannt zu senken und den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren.
Wir erwarten zum Beispiel, dass die Bundesregierung endlich ihrem Versprechen im Koalitionsvertrag nachkommt und statt einer täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit einführt. Das würde die Flexibilität für Beschäftigte und Arbeitgeber erhöhen. Und wir müssen auch die Lebensarbeitszeit erhöhen,
betonte Kawlath. Es brauche zudem Strukturreformen in den Sozialversicherungen: Abschaffung der abschlagsfreien Rente, schrittweise Erhöhung des Rentenalters sowie eine einheitliche Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I für maximal 12 Monate.
Wir steuern aktuell auf eine Staatsquote von mehr als 50 Prozent zu. Das ist ordnungspolitischer Wahnsinn, der Arbeitnehmer und Unternehmen gleichermaßen belastet und Innovationen verhindert,
warnte der VDMA-Präsident.
Tariftreuegesetze belasten insbesondere kleine Unternehmen
Ebenso deutlich wies Kawlath die aktuellen Pläne zum sogenannten Tariftreuegesetz zurück.
Statt Maßnahmen umzusetzen, die Kosten und Bürokratie reduzieren, bringt die Bundesarbeitsministerin ein Gesetz auf den Weg, das weitere Bürokratie aufbaut! Das bekommen vor allem kleine und mittlere Unternehmen zu spüren,
kritisierte Kawlath. Dies stehe nicht nur dem Ziel des Sondervermögen Infrastruktur entgegen, die Mittel schnell auf die Straße zu bringen. Mittelständische Unternehmen werden stark belastet, weil sie trotz guter Arbeitsbedingungen und guter Löhne häufig nicht tarifgebunden sind und nun Nachweise erbringen müssen, dass sie tarifvertragliche Kriterien erfüllen.
Große Sorge bereitet uns zudem, dass die Tariftreue an der Bundesgrenze endet. Wer Leistungen im Ausland für einen öffentlichen Auftrag des Bundes erbringt, ist von der Tariftreueverpflichtung ausgenommen. Das mag zwar europarechtlich geboten sein, führt das Gesetz jedoch ad absurdum,
betonte Kawlath. Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, findet sich auch keine Ausnahme für Startups im Gesetz wieder.
Druck auf den Innovationsstandort wächst
Deutschland sei für den Maschinen- und Anlagenbau immer noch der wichtigste Standort für die Zukunftsfähigkeit der Industrie, fügte der VDMA-Präsident hinzu. Laut einer Untersuchung des Verbands tätigen die zumeist mittelständischen Betriebe rund 84 Prozent ihrer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Inland.
Aber die Tendenz heißt leider: Die Unternehmen rechnen mit einer stärkeren Ausweitung ihrer Forschungs-Aufwendungen im Ausland als im Inland,
ergänzte Kawlath. Das treffe vor allem auf große Unternehmen zu.
Deshalb wächst der Druck auf den Innovationsstandort Deutschland und auch Europa. Bürokratie hängt wie ein Mühlstein um den Hals der Firmen und bindet Geld und Zeit, die besser in Forschung investiert werden könnten.
Mit der Ausweitung der Forschungszulage sowie der Hightech-Agenda habe die Bundesregierung jüngst zwar einen guten Weg gewiesen, zumal sie hier mit der Industrie und nicht gegen sie fortschreiten wolle.
Aber jetzt muss diese Agenda ebenso zügig umgesetzt werden wie die Pläne zur Digitalisierung des Standorts,
forderte Kawlath.

Wirtschaftliche Lage vergleichbar mit schwerer Rezession Anfang der Neunziger
Der Reformstau im Inneren und die vielen bürokratischen Hemmnisse, gepaart mit geopolitischen Krisen, wachsenden Handelsbeschränkungen und einer globalen Verunsicherung der Kunden führen in Summe dazu, dass der Maschinen- und Anlagenbau nicht aus dem Konjunkturtal kommt. Die VDMA-Volkswirte rechnen für 2025 unverändert mit einem realen Produktionsminus von 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wobei die jüngsten Daten ein wenig Hoffnung auf einen besseren Wert machen.
Damit schrumpft die Produktion in unserer Industrie seit Anfang 2023, und das vierte Quartal 2025 dürfte das zwölfte Minusquartal in Folge sein,
bilanzierte Kawlath.
Damit ist die Situation jetzt vergleichbar mit der schweren Rezession Anfang der Neunziger Jahre, als es 13 Minusquartale in Folge gab.
Aktuell liegt die Kapazitätsauslastung im Maschinenbau mit 78,3 Prozent unverändert deutlich unter dem mittleren Wert von gut 85 Prozent. Zwar hoffen die Unternehmen auf eine leichte Besserung der Geschäftslage im kommenden Jahr; für 2026 bestätigten die VDMA-Volkswirte daher ihre Produktionsprognose von real plus 1 Prozent.
Aber auf diesem Niveau müsste der Zuwachs deutlich größer ausfallen, um von einer echten Wachstumsdynamik zu sprechen,
sagte Kawlath.
Immer deutlichere Spuren auf dem Arbeitsmarkt
Die schwierige Wirtschaftslage hinterlässt inzwischen auch immer deutlichere Spuren auf dem Arbeitsmarkt. Mit etwas mehr als 1 Million Beschäftigten im Inland in Betrieben mit mehr als 50 Menschen (September 2025) ist der Maschinen- und Anlagenbau zwar weiterhin der größte industrielle Arbeitgeber im Land. Und mit 190.000 Ingenieurinnen und Ingenieuren ist die Branche auch auf diesem Feld führend. Aber im Vergleich zum Vorjahr ist die Beschäftigung um 2,4 Prozent gesunken, während zugleich die Zahl der Kurzarbeitenden im August 2025 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) um 27 Prozent auf 41.000 Menschen gestiegen war.
Unsere Betriebe wollen ihre Stammbelegschaften weiter halten und wir suchen auch weiterhin Fachkräfte, um dem demografischen Wandel zu begegnen,
betonte Kawlath.
Aber die Politik muss dafür endlich frühere Fehler korrigieren und zum Beispiel die Rente mit 63 wieder abschaffen. Zudem muss sie es Fachkräften aus dem Ausland erleichtern, in unserer Branche Fuß zu fassen,
forderte der VDMA-Präsident.
Unternehmen können Bürokratie für US-Zölle nicht erfüllen
Zu den größten Herausforderungen einer stark vom Export lebenden Industrie zählen auch die Handelspraktiken der beiden wichtigsten Absatzländer außerhalb der EU, den USA sowie China.
Die Strafzölle der Amerikaner auf Stahl und Aluminium, die demnächst höchstwahrscheinlich rund 56 Prozent unserer Maschinenexporte in die USA betreffen, sind Gift für beide Handelspartner. Sie müssen schnell wieder wegverhandelt werden,
forderte Kawlath.
Laut einer neuen VDMA-Umfrage unter knapp 400 Mitgliedsfirmen melden fast die Hälfte (47 Prozent) der Unternehmen einen rückläufigen Auftragseingang aus den USA seit April dieses Jahres. Zwei Drittel der befragten Firmen rechnen mit Umsatzeinbußen aufgrund der Zölle, fast die Hälfte beziffert diese auf mehr als 10 Prozent.
Hinzu kommt: Es geht nicht allein um die absolute Höhe der Zölle, sondern auch um die damit verbundene bürokratische Belastung etwa in der richtigen Angabe des Stahl- und Aluminiumwerts,
erläuterte Kawlath.
Nur rund ein Viertel unserer Unternehmen glaubt, die Anforderungen der Amerikaner erfüllen zu können,
sagte er.
Bundesregierung und EU müssen den USA daher klarmachen, dass deutsche und europäische Maschinen auch die amerikanische Industrie sichern. Die Zölle sind für beide Seiten absolut kontraproduktiv!
Marktüberwachung für chinesische Produkte stärken
Die noch deutlich größere Herausforderung für die Betriebe im Maschinen- und Anlagenbau ist der immer stärkere Wettbewerb aus China. Chinesische Maschinenbaufirmen werden in immer mehr Sektoren zu echten Konkurrenten auch auf Drittmärkten – und profitieren dabei teilweise kräftig von unfairen staatlichen Subventionen.
Unsere Unternehmen kämpfen mit allen Mitteln um ihre Wettbewerbsfähigkeit, aber das reicht vielfach nicht mehr. Das beste Mittel gegen diese Konkurrenz wären bessere Standortbedingungen in Deutschland und Europa, denn unsere mittelständische Branche lebt vom Export und kann nicht einfach Produktionsstätten ins Ausland verlagern,
betonte Kawlath.
Aber die Politik muss sich auch mit international anerkannten Mitteln stärker zur Wehr setzen,
forderte der VDMA-Präsident und verwies auf die unzureichende Marktüberwachung der EU.
Wir dürfen nicht weiter zulassen, dass chinesische Produkte, die nicht EU-Standards genügen, so einfach in unseren Wirtschaftsraum kommen,
sagte er.
Freihandelsabkommen sind Top-Priorität
Gefordert sei die EU auch mit Blick auf den Abschluss neuer Freihandelsabkommen. Angesichts der Probleme im Handel mit den USA und China
muss die Öffnung neuer Märkte eine Top-Priorität für die EU-Kommission sein,
betonte Kawlath.
Das Abkommen mit den Mercosur-Staaten hat hier absoluten Vorrang und muss jetzt endlich ratifiziert werden. Und direkt danach sollte das Abkommen mit Indien abgeschlossen werden.
Der VDMA-Präsident betonte in diesem Zusammenhang auch, dass gerade extremistische Parteien eine Gefahr für Wirtschaft und Wohlstand in Europa seien.
Wer wie die AfD aus dem Euro, der EU oder auch der Nato austreten und sich Russland anbiedern will, zimmert einen Sarg mit Deckel für unsere mittelständische Industrie,
betonte er.
Wir müssen unsere demokratische und wirtschaftliche Freiheit und unser marktwirtschaftliches System mit aller Kraft verteidigen,
betonte er.
EU-Omnibusse entlasten die Industrie
Immerhin habe die EU in jüngster Zeit bewiesen, dass sie in die richtige Richtung umsteuern wolle, fügte der VDMA-Präsident hinzu. Mit den sogenannten Omnibussen, also einer vereinfachten Regulierung von Nachhaltigkeitsberichten oder Lieferketten würden die Unternehmen ein Stück weit entlastet. Auch die Verschiebung der Entwaldungsverordnung sei der richtige Schritt gewesen.
Bei den anderen Omnibus-Plänen zum Digitalen und zur Umwelt verliert sich die EU-Kommission aber zu sehr im Detail. Kleine Erleichterungen sollen kommen, aber die gesamte Regulierungsstruktur bleibt viel zu komplex,
bemängelte er. Die aktuell diskutierten Verpflichtungen für die öffentliche Hand, europäische Produkte zu kaufen („Local Content“), sieht der VDMA daher mit Skepsis.
Local-Content-Vorschriften können nur die Ausnahme für den Aufbau strategisch wichtiger Technologien sein, wenn mit anderen Instrumenten eine strategische Abhängigkeit nicht verhindert werden kann. Aber der Fokus muss auf der Öffnung von Märkten überall auf der Welt gerichtet bleiben, nicht auf Abschottung,
mahnte Kawlath.
EU-Klimaziel 2040 braucht starke europäische Technologien
Dies gelte auch für die unverändert wichtige Aufgabe des globalen Klimaschutzes, der nur mit Hilfe der Technologien aus dem Maschinen- und Anlagenbau gelöst kann.
Die EU hat sich für 2040 erneut ein ambitioniertes Klimaziel gesetzt, das ist richtig. Nun muss der Weg dazu geebnet werden,
sagte er. Weltweit werde heute mehr in erneuerbare Energien als in fossile Energiequellen investiert. China habe viele der benötigten Transformationstechnologien strategisch gefördert und sei aggressiv im Weltmarkt unterwegs.
Bei Wasserstoff, Windenergie und Speichertechnologien muss Europa deshalb weiter ein starker Heimatmarkt bleiben – der sich auch gegen unfairen Wettbewerb wehrt. Wir müssen die Wertschöpfungsketten hier beherrschen und lebendig halten, damit wir hier nicht in neue Abhängigkeiten rutschen,
betonte der VDMA-Präsident.
Quelle: © VDMA e. V.
Charts der Jahrespressekonferenz
Haben Sie noch Fragen? Dr. Johannes Gernandt, VDMA-Chefvolkswirt, Telefon 069 6603 1829, johannes.gernandt@vdma.eu, beantwortet sie gerne.
Der VDMA vertritt 3600 deutsche und europäische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Die Industrie steht für Innovation, Exportorientierung und Mittelstand. Die Unternehmen beschäftigen insgesamt rund 3 Millionen Menschen in der EU-27, davon mehr als 1,2 Millionen allein in Deutschland. Damit ist der Maschinen- und Anlagenbau unter den Investitionsgüterindustrien der größte Arbeitgeber, sowohl in der EU-27 als auch in Deutschland. Er steht in der Europäischen Union für ein Umsatzvolumen von geschätzt rund 870 Milliarden Euro. Rund 80 Prozent der in der EU verkauften Maschinen stammen aus einer Fertigungsstätte im Binnenmarkt.
